Junioren-Regeländerung: „Nicht durchdachter Schuss ins Blaue“
Sascha Stengel, 14.02.2025

Erfurt/Sömmerda. Nur einer der befragten Trainer befürwortet den neuen Weg, dass der jüngere A-Jugend-Jahrgang künftig nicht mehr bei den Erwachsenen spielen darf.
Man kann nur mit der Zunge schnalzen, wenn man Lamine Yamal Fußballspielen sieht. Das Wunderkind des FC Barcelona verzaubert die Zuschauer weltweit. Ginge es nach dem Thüringer Fußball-Verband (TFV), würde dieser Zauber auf der Weltbühne jedoch nicht stattfinden. Yamal debütierte schon mit 15 in der Profimannschaft von Barça und ist aktuell 17. Nach der Regeländerung des TFV, wonach der jüngere-A-Jugend-Jahrgang künftig nicht mehr bei den Erwachsenen eingesetzt werden darf, müsste Yamal noch immer im Nachwuchs spielen.
Wir befragten Trainer von Vereinen aus dem KFA Erfurt-Sömmerda, was sie von der zur nächsten Saison in Thüringen in Kraft tretenden Regeländerung halten und was es konkret für sie bedeutet – und beginnen mit einem, der eben jenen Yamal als Beispiel anführt.
Steffen Ehrich, Trainer von Landesklässler Empor Walschleben: „Unser Verein läuft keine Gefahr, dadurch Personalprobleme zu bekommen. Dem Reinschnuppern bei der Zielmannschaft aber grundsätzlich den Riegel vorzuschieben, halte ich für falsch. Der Entwicklungsstand von Nachwuchsspielern ist gerade in diesem Alter sehr unterschiedlich, weshalb es eine Einzelfallentscheidung ist, die Trainern, Spielern und Eltern nicht aufgezwungen werden sollte und die wir vernünftig treffen können. Und warum unterschiedliche Richtlinien für den Profi- und Amateursport? Wenn, dann bitte für alle gleich. Ein Yamal von Barcelona dürfte dann genauso wenig bei den Männern spielen wie ein Bruno Barnstein von Walschleben.“
Alexander Ruda, Trainer von Kreisoberligist VfB Grün-Weiß Erfurt: „Die Regeländerung ist für mich ein nicht durchdachter Schuss ins Blaue. Dass es im A-Jugendbereich aktuell einen Engpass an Spielern gibt, liegt an den geburtenschwachen Jahrgängen in den Nullerjahren und den Auswirkungen der Corona-Pandemie, aber nicht daran, dass zu viele bei den Erwachsenen eingesetzt werden. Wir schauen da ganz genau hin, wer sich eignet. Ein Domenik Riedel hat sich bei uns schon mit 17 fest etabliert, weil er körperlich schon deutlich weiter war als Gleichaltrige. Im Frauenbereich ist das noch häufiger der Fall. Dass uns solche Möglichkeiten nun genommen werden, ist schwer nachzuvollziehen.“
Gino Heinze, Trainer der Regionalliga-Frauen des 1. FFV Erfurt: „Da es bei den Mädchen keine A-Jugend-Altersklasse gibt und bei den B-Juniorinnen nach Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung wohl weiter flexibel gehandhabt werden kann, betrifft es uns weniger. Der Problematik entgegenzuwirken, dass die Qualität und Quantität der A-Jugendmannschaften sinkt, ist grundsätzlich richtig, was die Breite betrifft. Toptalente sollten aber weiterhin bei den Männern gefördert und gefordert werden dürfen. Insofern gibt es ein Pro und ein Contra.“
Nico Rödiger, Trainer von Landesklässler SV Großrudestedt: „Wir haben in dieser Saison keine A-Jugend-Mannschaft stellen können. Warum wird jetzt riskiert, dass Talente in so einem Fall künftig in der Luft hängen oder dem Verein, der sie ausgebildet hat, verlorengehen? Und man sollte auch die Elternperspektive beachten: Für viele ist es nicht zumutbar, ihre Kinder mehrmals in der Woche sonst wohin zu fahren, weil sie im Heimatverein nicht mehr eingesetzt werden können, nur weil sie in einem bestimmten Alter sind. Zum Glück können wir nächste Saison wieder eine A-Jugend stellen und unseren Jungs den Übergang zum Männerbereich im eigenen Verein ermöglichen.“
Sascha Balcerowski, Trainer von Kreisoberligist FC Union Erfurt: „Unser A-Jugendtrainer und ich sehen die Neuregelung kritisch. Der Grundgedanke ist nachvollziehbar, schadet aber den talentierten und körperlich reifen Spielern in ihrer Weiterentwicklung. Der Leistungsvergleich auf A-Jugend-Kreisebene ist nicht mit dem bei den Männern vergleichbar. Zumal es dort viele spielfreie Wochenenden gibt, wo Einsätze bei den Männern die passende Ergänzung wären.“
Horst Grohmann, Trainer von Landesklässler FSV Sömmerda und 22 Jahre TFV-Stützpunkttrainer: „Auf Verbandsebene finde ich die Regel gut. Wenn ein jüngerer A-Jugendspieler einmal bei den Männern gespielt hat, kommt er meist nicht wieder zurück. Das führt in kleinen Vereinen zum Wegfall der insgesamt ohnehin geringen Anzahl an A-Jugend-Teams. In Sömmerda wird eine sehr gute Nachwuchsarbeit geleistet, der Verein wird damit keine Probleme haben.“
Marco Schmeißer, Trainer von Landesklässler FSV Kölleda: „Sicher ist es eher ein Problem im ländlichen Raum als in der Stadt, dem damit Rechnung getragen werden soll. Ich finde, die bisherige Regelung, Talente dieser Jahrgänge mit ärztlichem Attest und elterlicher Zustimmung bei den Männern einsetzen zu dürfen, ist eine gute. Speziell unsere zweite Mannschaft ist aktuell auch schon auf A-Junioren des jüngeren Jahrgangs angewiesen, um spielfähig zu sein.“
Thomas Steiner, Trainer von Kreisoberligist Buttstädt/Großbrembach: „Ich habe die Nachricht mit Erschrecken aufgenommen. Wir haben vier Talente, die es betrifft. Zwei sind körperlich ohnehin noch nicht reif für die Männer und werden wohl in Kölleda im Nachwuchs unterkommen. Die beiden anderen hängen dann in der Luft und wir könnten sie verlieren. Einer von ihnen ist sportlich eine echte Rakete, trainiert schon seit zwei Jahren bei uns mit, obwohl er sogar noch B-Jugendlicher ist, und ist voll dabei. Für ihn wie für uns ist diese Regelung sehr bitter.“
Rocky Schack, Trainer von A-Jugend-Regionalligist Eintracht Erfurt: „Auch wenn ich grundsätzlich denke, dass der TFV bei den handelnden Personen einer Verjüngung bedarf, stehe ich bei diesem Thema zu hundert Prozent auf dessen Seite. Der Nachwuchs muss gestärkt werden, zumal es nur noch ganz wenige A-Jugendteams gibt, die wie wir oberhalb der Landesebene spielen. Wenn ich bei anderen Vereinen wegen Talenten anfrage, habe sie entweder utopische Ablöseforderungen oder sagen, sie planen mit ihnen im Männerbereich, wo sie dann aber doch nicht zum Einsatz kommen. In Erfurt gibt es zudem viele Vereine ohne Nachwuchs, mit denen man sich um die begehrten Zeiten auf den Plätzen streiten muss. Das darf nicht sein, die haben hier nichts zu suchen!“
Quelle:TA Jakob Maschke